Instantnudeln: Eine Schüssel Bequemlichkeit

Instantnudeln sind trotz anders lautender Gerüchte keine chinesische Erfindung. Dennoch ist ausgerechnet das für seine vielfältige Kochkunst bekannte China der Haupt-konsument der fabrikproduzierten Fertignudelsuppen. Was steckt dahinter?

Im September 2014 wandte sich der chinesische Präsident Xi Jinping während eines Auslandsbesuchs auf den Malediven mit einem eindringlichen Appell an seine Landsleute: „Es ist wichtig, dass sich unsere Bürger zivilisiert verhalten, wenn sie im Ausland auf Reisen sind. Dazu gehört, keinen Müll zu hinterlassen und die Umwelt zu schonen. Auch sollten sie weniger Instantnudeln essen und stattdessen die lokale Küche ihres Urlaubslandes kennenlernen.“ Hintergrund seiner mahnenden Worte waren wiederholte Berichte, denen zufolge sich chinesische Touristen im Ausland unangemessen verhielten. So hätten sich ausländische Hoteliers immer wieder über Lärm beschwert, Gäste über Vordrängler an der Rezeption und Restaurantbetreiber darüber, dass chinesische Besucher sich nicht für das Menü interessierten, sondern lediglich heißes Wasser für ihre mitgebrachten Instantnudeln bestellten.

Einen Schritt zu weit gegangen

Es war nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass sich eine chinesische Autorität von höchster Stelle genötigt sah, seine Landsleute aufgrund ihres Betragens auf Reisen zu maßregeln. Tatsächlich stößt die Kritik bei einem großen Teil der chinesischen Bevölkerung auf Zustimmung, denn das Fehlverhalten rücksichtsloser Landsleute im Ausland schadet Chinas Image im Rest der Welt. Mit seiner Forderung, auf ihre heiß geliebten Instantnudeln zu verzichten, war der Präsident allerdings einen Schritt zu weit gegangen. Nur wenige Stunden nach seinem Statement waren die chinesischen sozialen Netzwerke voll mit teils hämischen, teils wütenden User-Kommentaren. „Wir Chinesen essen Instantnudeln nicht, weil wir uns kein ausländisches Essen leisten können, sondern weil ausländisches Essen nichts taugt“, schrieb ein entrüsteter Nutzer beispielsweise. Ein anderer machte darauf aufmerksam, dass die Fertignudelsuppen tief in der chinesischen Esskultur verwurzelt seien. Tatsächlich werden in keinem anderen Land der Welt so viele Instantnudeln verzehrt wie in China. Mehr als 46 Milliarden Portionen sollen die Chinesen laut Weltverband der Instantnudeln im vergangenen Jahr konsumiert haben – das sind knapp 44 Prozent des weltweiten Verbrauchs.

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Tief in der chinesischen Esskultur verwurzelt: Instantnudeln

Keine chinesische Erfindung

Dabei sind die gelockten Teigfäden trotz anders lautender Gerüchte keine chinesische Erfindung, sondern stammen ursprünglich aus Japan. Erfunden wurden sie 1958 von dem japanischen Unternehmer Momofuku Andō (1910-2007). Seiner Autobiografie zufolge kam ihm die Idee dazu im Jahr 1945 während eines Spaziergangs durch seine von den Alliierten zerstörte Heimatstadt Osaka. Als er vor einem Nudel-Imbiss hungrige Menschen stundenlang für eine Schale Nudeln anstehen sah, war er fortan von der Vision beseelt, allen Menschen die schnelle und einfache Zubereitung  von Nudelgerichten zu ermöglichen.

Japanisches Kulturgut

Zwölf Jahre später brachte er mit seiner Firma Nissin Foods die ersten in Tüten verpackten Instantnudeln auf den Markt. Nur ein Jahr später verkaufte Andō bereits 13 Millionen Packungen und ein weiteres Jahr später über 60 Millionen. 1971 stellte Nissin dann eine revolutionäre Weiterentwicklung seines Produktes vor: Anstelle in einer Tüte wurden die Nudeln in einem Schaumstoffbecher verpackt, der zugleich als Essbehälter diente. Unter dem Namen Cup Noodles verbreitete sich das Produkt bald auf der ganzen Welt. Heute gelten die Trockennudeln aus dem Becher in Japan als nationales Kulturgut. Dass aber nicht Japan, sondern China der weltweit größte Konsument von Instantnudeln ist, lässt sich sicherlich auch damit erklären, dass das Land mit 1,4 Milliarden Bürgern über eine der größten Populationen und damit über einen der größten Absatzmärkte der Welt verfügt.

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Links die ersten Instantnudeln der Welt (Chikin Ramen) von 1958, rechts die ersten Nudeln im Becher (Cup Noodles) von 1971; Foto: Nissin Foods

Sogar für den kleinsten Geldbeutel erschwinglich

Doch warum sind fabrikproduzierte, mit künstlichen Aromen versehene Trockennudeln so beliebt bei einem Volk, das ausgerechnet für seine reichhaltige und vielfältige Esskultur berühmt ist? Da wäre zunächst ein mal der niedrige Preis. Während sich traditionelle chinesische Snacks, wie z.B. Jianbing oder Kao Leng Mian, von 5 Yuan (umgerechnet knapp 0,70 Cent) an aufwärts bewegen, sind manche Instantnudelsorten schon ab 1,5 Yuan zu haben. Somit sind sie selbst für den kleinsten Geldbeutel erschwinglich. Im Gegenzug erhält der Konsument eine warme und sättigende Mahlzeit, ohne zuvor erst Lebensmittel einkaufen geschweige denn selber kochen zu müssen.

Denn für gewöhnlich beinhalten die Nudelbecher alles, was man für die Zubereitung und den Verzehr benötigt: Eine Portion getrocknete Nudeln (ca. 120 Gramm), ein Päckchen Palm- oder Gewürzöl und einen Beutel Suppenpulver. Bei manchen Sorten erhält der Käufer zusätzlich ein Tütchen mit getrocknetem oder eingelegtem Gemüse, Pilzen oder Fleischstückchen. Und natürlich eine Plastikgabel. Die schnelle und einfache Zubereitung tut dann ihr übriges: Den Becher öffnen, die Nudeln mit den Gewürzen und dem Öl vermischen, 400 Milliliter kochendes Wasser darüber gießen und anschließend zwei Minuten lang ziehen lassen – fertig ist der Nudelsuppenbausatz. Nicht umsonst werden die praktischen Snacks in China fangbian mian genannt, was übersetzt so viel wie „Bequemlichkeitsnudeln“ bedeutet.

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Weltweite Nachfrage nach Instantnudeln im Vergleich (Quelle: instantnoodles.org)

Um möglichst viele Geschmäcker zu treffen, hat die Industrie im Laufe der Zeit eine schier endlose Palette an unterschiedlichen Geschmacksrichtungen entwickelt, vom einfachen Hühnersuppenaroma bis hin zur Imitation traditioneller asiatischer Gerichte. Mit ein paar frischen Zutaten, wie z.B. Eiern oder Hühnchenfleischstreifen, lassen sich die Suppen auch leicht zu einem kompletten Gericht erweitern. Nach dem Essen kommen Becher und Gabel in den Mülleimer, so dass kein lästiges Geschirrspülen nötig ist.

Absatz in Zügen und auf Bahnhöfen rückläufig

Die schnelle und einfache Zubereitung dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass sich Fertignudeln in China als Snack für unterwegs durchgesetzt haben. Gerade auf Reisen und überall dort, wo die Zubereitung einer kompletten Mahlzeit nicht möglich ist, stellen die Nudelbecher eine praktische Alternative dar. So gibt es kaum einen Flughafen oder ein Zugabteil, in dem Reisenden nicht ein Heißwasserboiler zur Verfügung steht, um kochendes Wasser für eine Nudelsuppe zu zapfen. Allerdings haben sich aufgrund des landesweiten Ausbaus des Schienennetzes sowie massiver Investitionen in eine Flotte modernster Schnellzüge auch die durchschnittlichen Reisezeiten erheblich verkürzt. Als eine Folge dessen ist der Absatz von Instantnudeln in Zügen und auf Bahnhöfen in den vergangenen Jahren immer weiter zurück gegangen. Allein der größte chinesische Nudelhersteller, Tingyi Holding Corporation, musste unlängst einräumen, dass sein Umsatz im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 35 bis 40 Prozent gesunken ist.

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Japanische Highend-Instantnudeln in einem chinesischen Supermarktregal: Aufpreise um bis zu 100 Prozent

Dauerhafter Konsum kann zu Gesundheitsschäden führen

Ein weiterer Grund für den Umsatzrückgang könnte aber auch darin liegen, dass sich mittlerweile auch bei den Chinesen herumgesprochen hat, wie ungesund Instantnudeln tatsächlich sind. So kursieren längst Meldungen in den Medien, wonach die Pulversuppen keinerlei Nährwert bieten, dafür sehr viele Kalorien, einfache Kohlenhydrate, gesättigte Fettsäuren und Natrium enthalten. Dauerhafter Konsum könne folglich zu ernsthaften Gesundheitsschäden wie Stoffwechsel- oder Herzkrankheiten führen. Einer Umfrage des britischen Marktforschungsinstituts Mintel Group Ltd. zufolge legten gerade jüngere Chinesen immer größeren Wert auf eine gesunde Lebensweise. Dazu gehört selbstverständlich auch eine ausgewogene Ernährung. So gaben bei der Umfrage ganze 80 Prozent aller Befragten an, in Zukunft keine oder zumindest weniger Instantnudeln konsumieren zu wollen.

Aufpreise von bis zu 100 Prozent

Die Industrie reagiert bereits auf die Veränderungen, indem sie sich verstärkt auf die Vermarktung von High-Quality-Produkten, wie z.B. der Man-Han Feast-Nudelsuppe des chinesischen Produzenten Uni-President oder Healthy Instant Ramen aus Japan, konzentriert. Diese enthalten im Vergleich zu den Billignudeln angeblich weniger Salz, Fett und Natrium und außerdem keine künstlichen Geschmacksverstärker, dafür zusätzliche Gemüsebeigaben. Ob sich die Chinesen davon überzeugen lassen und am Ende bereit sein werden, dafür Aufpreise von bis zu 100 Prozent in Kauf zu nehmen, muss sich erst noch zeigen.

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